Consultants im Anzug - Digital-Agenturen unter Druck

Consultants im Anzug - Digital-Agenturen unter Druck

Digital-Agenturen, die einst schnell wachsenden "digitalen Zellen" in einer analogen Welt, kommen immer mehr unter Druck. Das Wachstum stockt. Margen erodieren. Agenturen machen dicht. Drei Faktoren spielen hier eine zentrale Rolle...

Das Insourcing und Erledigen von taktischen Aufgaben durch Kunden selbst. Die Ausführung von repetitiven Aufgaben und Analysen durch KI und intelligente Software. Plus die wachsende Nachfrage nach strategischem Consulting an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Business. Für Agenturen heisst dies: Gut beraten ist, wer gut im Beraten ist.

NB: Dieser Blog-Post dürfte vor allem für Inhaber von digitalen Agenturen interessant sein.

Taktische Aufgaben - Kunden machen DIY-Digital

Digitale Arbeit ist "Knochenarbeit". Vor diesem Hintergrund konnten sich Agenturen noch bis vor kurzem einen Platz im digitalen Maschinenraum ihrer Kunden sichern: Taktische Lösungen, händische Keyword-Analysen, Website-Programmierung oder Banner-Ads - Dinge, mit denen man einst hohe Margen erzielte, zählen heute zum Basis-Skillset von digitalen In-House-Marketern.

Mit immer tiefer werdenden Eintritts-Barrieren und einem schwindenden Informationsvorsprung seitens Agenturen, entscheiden deshalb immer mehr Unternehmen, operativ-taktische Digital-Tasks intern zu machen - und das zu einem Bruchteil der Kosten. Die Agentur als "Task-Taker" wird somit immer mehr zum Auslaufmodell.

Repetitive Tasks - KI löst Agenturen ab

Eine weitere konstant-sprudelnde Einnahmequelle digitaler Agenturen war einst die Erledigung repetitiver Tasks. Dazu zählen periodische Performance-, Traffic- oder SEO-Analysen, Content-Farming, Research oder die regelmässige Content-Produktion.

Gerade bei letzterem schätzt Gartner, dass heute mehr als 20 % des weltweit digital produzierten Contents "künstlich" erzeugt wird. Tendenz exponentiell steigend. Wordsmith oder Quill sind hier führende Technologie-Player in Sachen "Natural Language Generation" (NLG).

Von Football-Berichterstattung über E-Commerce-Content bis zur Wetterprognose - künstliche Intelligenz im Content Marketing unterstützt immer mehr Firmen bei der industriellen Content-Fertigung. Das Resultat: Die einstmals guten Content-Marketing-Aufträge schmelzen den Agenturen weg wie die Gletscher in den Alpen - langsam aber sicher.

Marketing Tasks - Automation statt Agentur

Marketing Automation Summary

Repetitive Tasks mit "Austauschpotenzial" finden sich des weiteren bei der Execution von digitalen Marketing- und Sales-Aktivitäten. Hier kommt die boomende Kategorie der Marketing Automations-Software ins Spiel. So zum Beispiel HubSpot, die bei KMU weltweit führende Marketing-Automations-Lösung.

HubSpot analysiert regelmässig den Return on Investment ihrer Software-Nutzer. Das Resultat: Bis zu 700% mehr Lead-Output bei gleichbleibendem Ressourcen-Input. Das sind messbare Resultate, die mit zusammengebastelten Tech-Lösungen und händisch-repetitivem Support durch die externe Agentur auf Dauer fast nicht mehr zu erzielen sind.

Marketing Automation - Countdown läuft

Auch wenn Marketing-Automations-Software gemäss einer aktuellen Studie in Deutschland und in der Schweiz erst bei 29 % aller KMU im Einsatz ist, so steigt die Nachfrage rasant. Die mit Marketing-Automation zu erzielenden Skaleneffekte in Sachen Kosten und Wachstum sprechen für sich. Zudem gibt es immer mehr Use Cases, welche das Investment in Inbound Marketing und Automation auch für KMU rechtfertigen.

Vor diesem Hintergrund hat die Digital-Agentur auch als "Execution Factory" in Marketing und Sales ihren Zenit langsam aber sicher überschritten. Höchstens bei der Implementierung von Marketing Automations-Lösungen können Agenturen noch einen Mehrwert bieten. Doch nachhaltig ist das nicht: Wie bei Einführung eines ERP oder CRM übernimmt der Auftraggeber das Betreiben seiner Software schon nach wenigen Monaten selbst.

Wie wenn diese beiden negativen Trends nicht genug wären - Auftraggeber, die immer mehr selbst machen, gepaart mit einer steigenden Automatisierung - der potenzielle Dolchstoss für operativ tätige Digital-Agenturen kommt letztlich von ganz woanders. Nämlich "von oben". Vom strategischen Consulting.

Digital-Strategie ist nicht gleich Digitalisierungs-Strategie

Auftraggeber kürzen mit dem Rotstift immer mehr operative Agentur-Budgets um dann mit der gleichen Feder die strategische Kardinalfrage zu formulieren:

"Wie können wir die Digitalisierung in unserem Unternehmen richtig anpacken und gezielt vorantreiben, damit wir weiter wachsen können?"

Zur Beantwortung dieser Frage sind die klassischen Digital-Agenturen oft am Ende ihres Lateins. Es fehlt ihnen an Skills. Und es fehlt an Glaubwürdigkeit, strategische Fragen systematisch in der Tiefe zu beantworten.

Ein Beispiel dazu: Agenturen verwechseln allzu oft die Semantik von "Digital-Strategie" mit "Digitalisierungs-Strategie". Kleiner Unterschied. Grosse Wirkung.

Wer sich als Agentur während Jahren im digitalen Maschinenraum seiner Kunden verdient gemacht hat, kann sich auf der Kommandobrücke der Digitalisierung wenig Respekt verschaffen. Dort stehen heute strategische Fragen an. Dort geht's ums Überleben. Dort müssen Unternehmens-Kapitäne die Themen Digitalisierung und Business unter einen Hut bringen.

Agenturen horcht auf: Accenture ante portas!

Bevor Unternehmen Richtung Digitalisierung und "Blauer Ozean" in See stechen, holen sie strategische Expertise und Navigations-Skills an Bord. Die neuen "Digitalen-Lotsen" sind intelligent, Business-erfahren, von Grund auf digital denkend, Praxis-erprobt, tragen dunkle Anzüge. Und sie kommen von Firmen wie Accenture, McKinsey oder PwC.

Die Wachstumszahlen im Bereich "Digital" der Strategie-Beratungen sprechen für sich. Analysiert man zum Beispiel das Business-Jahr 2017 von Accenture Interactive, so erkennt man: Die Agentur hat in Singapur ihren "Digital Hub" errichtet, Agenturen wie The Monkeys, WireStone oder SinnerSchrader akquiriert und so ihre strategische Kompetenz mit Expertise in digitalen Bereichen erweitert. Wow! Doch mehr...

Accenture ist laut Gartner Magic Quadrant 2018 mittlerweile die weltweit führende "Global Digital Marketing Agency". Und gemäss Erhebung von AdAge ist die Accenture Interactive mittlerweile das weltweit "Largest Digital Network" .

Selbstbetrug: "Das betrifft mich nicht."

Als Inhaber einer digitalen Agentur wäre man nun geneigt dazu, sich auf eine Schutzbehauptung zurückzuziehen und den Standpunkt zu vertreten, dass Accenture & Co. sich lieber um die grossen, globalen Enterprise-Brands kümmern. Und nicht um die Mittelständler hier bei uns vor der Tür in Deutschland, in der Schweiz oder in Österreich.

Mumpitz: Ein Blick auf die Kundenlisten zeigt ein anderes Bild. Gerade im "Underserviced Middle Market", also bei noch-nicht-digitalisierten KMU entdecken Beratungsfirmen neue Umsatz-Opportunities. So hat das Beratungsunternehmen McKinsey in einer aktuellen Studie aufgezeigt, dass der Digitalisierungs-Grad im deutschen Mittelstand bei einem Anteil von 10% ist (im Vergleich zu den USA: 19%).

Auch wenn nicht trennscharf ersichtlich ist, wie sich dieser "Digitalisierungs-Grad" errechnet, so ist eines klar: Bei der Unterstützung Richtung Digitalisierung sehen die Berater viel Potenzial. Und dieses Potenzial wollen die Consulting- und Beratungs-Experten erschliessen. Sonst hätten sie ja auch keine Studie dazu verfasst. Tutto claro?!

Digital-Agenturen unter Druck - Wege aus der Klemme

Ich will hier nicht eine Lobeshymne zu Ehren der Consulting-Firmen anstimmen. Ich will einfach respektieren, dass sie ihre Sache gut machen. Vor allem aber will ich, dass wir klassischen Digital und Inbound Marketing-Agenturen (so wie wir eine sind) aufhorchen und sich folgendes fragen:

Wie machen wir uns als digitale Agentur fit für die Zukunft?

Verschiedene Optionen stehen zur Wahl:

Option 1 - Strategische Expertise selbst aneignen

Für Agenturen, die sich mit taktisch-operativer Kundenarbeit einen guten Namen geschaffen haben, dürfte es schwierig sein, strategische "Credibility" innert nützlicher Frist aufzubauen. Welcher CEO nimmt seiner taktischen erfolgreichen SEO-Agentur eine potenziell richtungsweisende Handlungsempfehlung ab - auch wenn sie noch so fundiert ist?

Im Gegensatz dazu dürfte es für Digital-Agenturen, Content-Firmen oder PR-Agenturen, die heute schon einen starken Bezug zu Business und Strategie ihrer Kunden haben, einfacher sein, sich eine strategische Expertise anzueignen, eine bestehende auszubauen und sich am Markt zu positionieren.

Dies kann in der Form von neu geschaffenen "Consulting"-Funktionen oder -Stellen sein (Bezeichnungen wie "Strategic", "Consultant"). Es kann aber auch via Neugestaltung des Offerings Richtung "Consulting Services" und/oder durch Weglassen von operativ-taktischen Tätigkeiten gelingen.

Auch schon eine Abkehr vom schrillen, lässigen, kreativ-Gedöns hin zu einer etwas sachlicheren Marktansprache kann Wunder wirken: Blau statt Orange. Veston statt Hoodie. Facts statt Floskeln. Inhalt statt Form alleine...Sie wissen, was ich meine.

Zu bedenken gilt es hier, dass es Zeit braucht, diesen Shift zu vollziehen. Und Zeit bedeutet oft auch Cash. Cash, der fehlt, um die strategische Expertise sauber aufzubauen. Um die Sache durchzuziehen.

Option 2 - Kooperationen mit Consulting-Firmen

Neben den oben erwähnten grossen Strategie-Beratungen gibt es in Deutschland und in der Schweiz im mittleren Segment Tausende von Consulting- oder Beratungs-Firmen, die Digitalisierung gross schreiben und heute schon Mittelständler in diesem Bereich betreuen.

Im Gegensatz zu den grossen Playern wie Accenture et. al. fehlt den kleineren Beratungsfirmen aber oft das Geld in der Kasse für Akquisitionen von Digital-Agenturen. Vor allem aber fehlt es an digitaler Umsetzungs-Expertise "aus dem Maschinenraum".

Warum nicht hier eine Kooperation suchen mit einem Consulting-Partner "um die Ecke"? Warum nicht eine strategische Partnerschaft eingehen und so die Wertschöpfung "nach oben" erweitern?

Option 3 - Strategische Nische besetzen

"Go Big. Go Niche. Or Go Home" - so lautet eine oft kolportierte Positionierungs-Weisheit. Es hat was an sich.

"Go Big" ist für mittelgrosse Digital-Agenturen schwierig - denn die "fetten Jahre" für überdurchschnittliches Wachstum sind vorbei (s. oben). "Go Home" ist für wachstumshungrige Agenturinhaber keine Option - denn wer will sein Schiff aus eigener Kraft versenken.

Bleibt noch "Go Niche", sprich die Ausrichtung seiner Digital-Agentur auf eine bestimmte strategische Nische im "digitalen Kuchen".

Ein paar unausgegorene Ideen dazu könnten sein:

  • "Sales-Enablement Consultants"- Sich als "Brückenbauer" zwischen digitalem Marketing und Sales etablieren
  • "Conversion Consultants" - Sich als Full Funnel Conversion-Spezialisten einen Namen machen
  • "Site-Tuning Consulting" - Sich auf Website-Tuning Richtung mehr Business spezialisieren
  • "Customer Journey Consulting" - Sich Richtung Customer Journey Analyse positionieren
  • "Content Semantics Consultants" - Sich einen Namen machen im Bereich der semantischen Analyse von Content (eher für Content-Agenturen)
  • "Digital Enablement Consultants" - Sich für als Coach/Trainer/Enabler für die Schärfung des Digital-Mindsets bei Kunden positionieren
  • "Digital Change Consultant" - Sich als Begleiter, Coach und Umsetzer einer Digitalisierungs-Strategie verdient machen

Option 4 - Partnerschaft mit Software-Anbietern

Viele Digital-Agenturen pflegen heute schon die eine oder andere Partnerschaft zu Technologie-Anbietern oder Software-Häusern. Google, Marketo, Salesforce, Infusionsoft, HubSpot - Sie alle bieten interessante Partner-Programme mit vielen wertvollen Ressourcen, die helfen, das Wachstum der eigenen Agentur voranzutreiben.

Wir bei Storylead sind zum Beispiel ein sehr aktives Mitglied im HubSpot Partner-Programm. Ich persönlich bin zudem Mitglied des HubSpot Partner Advisory Council für EMEA. Aus dieser Partnerschaft mit der Industrie ergeben sich viele neue Insights und Inputs zur strategischen Positionierung unseres Offerings. Aber nicht nur das.

Die Industrie- und Software-Partner passen ihre Produkte fortwährend auf die sich verändernden Bedürfnisse des Marktes an. Wenn z.B. Salesforce einen Nachfrage-Trend im Markt erkennt, dann ist es nur eine kurze Frage der Zeit, bis sich dies im Produkt widerspiegelt.

Diese steten Produkt-Entwicklungen eröffnen Digital-Agentur-Partnern wiederum neue Möglichkeiten, ihr Offering anzupassen und sich so bei Kunden als strategischen Gesprächspartner zu etablieren.

Stellvertretend sei hier die historische Entwicklung von HubSpot erwähnt: HubSpot ist vor mehr als 10 Jahren als Blogging-Tool auf den Markt gekommen. Danach hat sich das Produkt in eine vollständige Marketing-Automations-Plattform weiterentwickelt. Ein paar Jahre später kamen neue Funktionalitäten im Bereich Sales dazu, ein CRM und vieles mehr.

Dieses Jahr steht bei HubSpot die Erweiterung der Software Richtung Customer Service an. Und so hat sich HubSpot nach vielen Iterationen und Innovationen vom Blogging Tool zum strategischen "Growth Stack" entwickelt - einem Customer-Journey-Taschenmesser für mehr Wachstum im Mittelstand.

Wer hier als Digitale Agentur bei der steten Weiterentwicklung der Plattform Schritt hält und seine Service-Leistungen im Gleichschritt weiterentwickelt, der kommt voran.

So gibt es viele Beispiele von Digital-Agenturen, die sich von einer einfachen, kleinen SEO- und Web-Agentur zu einer strategischen Consulting-Firma für Digitalisierungs-Fragen im KMU entwickelt haben. Alles dank der steten Weiterentwicklung ihres Angebotes im Einklang mit der Entwicklung der HubSpot-Software.

Option 0 - Nichts tun

Sich auf den Status Quo zu berufen, nichts zu tun, weiter zu machen wie bisher und dann zu hoffen, dass "es" schon wieder gut kommt - das wäre naiv und ist somit keine Option. Leider aber werden viele genau dies tun. Deshalb sei hier kurz ein Merksatz aus meiner Feder eingefügt: "Wer heute den Kopf in den Sand steckt, der knirscht morgen schon mit den Zähnen."

Ich habe eine "Old School" Digital-Agentur - was tun?

Falls Sie sich bis hierhin durchgearbeitet haben bleibt mir, Ihnen zu gratulieren. Ihre Ausdauer zeigt mir, dass Sie sich ernsthaft Gedanken machen, wie Sie mit Ihrer Digitalen Agentur in Zukunft weiter machen wollen.

Bei vielen von uns stockt das Wachstum schon. Die Margen erodieren bereits bei den meisten. Und einige Digital-Agenturen haben schon dicht gemacht. Die drei Kern-Faktoren, die dies bewirken, sind wie erwähnt.

  1. Unsere Auftraggeber machen immer mehr selbst
  2. Automation und KI übernehmen immer mehr repetitive Tasks
  3. Consultants übernehmen das Kommando in Sachen Digital

Meine Absicht ist es, Ihnen zu zeigen, dass Consultants bei uns Agenturen nicht nur über den Zaun fressen, sondern uns gleich mit geballter Kraft von den Wiesen unserer Kunden vertreiben wollen.

Was ich zweitens zeigen will, ist dass Sie, dass ich, dass wir alle verschiedene gute Optionen haben, um trotz dieses Szenarios voranzukommen. Wir werden die Wiesen unserer Kunden mit unserer Expertise weiter düngen und dabei selbst weiter wachsen - wenn wir die Dinge jetzt anpacken.

Die hier aufgezeigten Optionen sollen Ihnen dazu dienen, sich ein paar Gedanken zu machen, wie Sie Ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen können. Wenn ich das Ganze hier in einem Satz zusammenfassen wöllte, dann so: Gut beraten ist, wer gut im Beraten ist.

Sicherlich haben auch Sie ein paar eigene Ideen oder Optionen im Kopf. Was wären diese? Wie passen sie zum hier Skizzierten? Was wäre ein noch besserer Weg?

Ich freue mich auf Ihr Zeichen.

Fazit

Gut beraten ist, wer gut im Beraten ist. https://bit.ly/2HWkFjd @stevenloepfe
  • Share: